Die Gießen

Gut, der Gießen, oder, wie er zumindest in Regglisweiler und Dietenheim im Volksmund heißt, die Gausiller, ist weder Bach noch Fluss. Der Gießen ist ein ganz normaler Kanal, wie er während der Illerkorrektion im 19. Jahrhundert auch auf bayerischer Seite in mehrfacher Ausfertigung entstanden ist. Aber das wissen halt nicht alle. Für viele ist der Gießen ein ganz normaler Fluss. Auch für ihn haben wir zwei Termine angesetzt: den 8. und den 27. Januar.

Der Gießen hat, wie jeder Kanal, bestimmte Aufgaben. In diesem Fall dient er einerseits der Energieerzeugung. Mindestens fünf Kleinkraftwerke leisten auch heute noch ihren Beitrag für CO²-freien Strom. Andererseits soll der Gießen die Bäche aufnehmen, welche die Holzstöcke nach Osten ins Illertal entwässern. Der Auslass des Kanals ist im Dettinger UIAG-Kraftwerk; nordöstlich von Regglisweiler kehrt er in die Iller zurück, exakt an der Stelle, an der die Iller an den westlichen Hang des Tales prallt und wo deswegen kein Damm durchbrochen werden musste. Denn noch während die Iller „korrigiert“ oder „verbessert“ wurde, wurde klar, dass der nun sehr viel schneller fließende und eingezwängte Fluss durch Dämme eingehegt werden musste. Diese Dämme hätten dann für jeden Bach und jedes Rinnsal geöffnet werden müssen. Da war es besser, parallel zum Fluss einen Kanal zu haben, der eben dieses Wasser auffängt.

Gießen
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Foto: Kurt Högerle

Los ging es am 8. Januar 2022. Diesmal waren wir als Gruppe größer, nämlich insgesamt zu sechst. Nachdem wir unsere Quellgeschichten nicht mehr heimlich unternahmen, sprach sich das ziemlich schnell herum. Sogar die Südwestpresse kam auf uns zu und wollte berichten.
Anders als sonst starteten wir nicht an der Mündung; die kennen wir alle aus dem Effeff. Dazu kam, dass der Weg dorthin an diesem Tage extrem morastig war und eigentlich zu gefährlich, um ihn zu begehen. Wir stiegen auf Höhe der Fußgängerbrücke Brandenburg-Au an Ufer des hier recht breiten und flachen Gießen.

Los gehts!
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Foto: Kurt Högerle

Nach kurzer Zeit verließen wir den Damm und folgten dem Fahrradweg der Landesstraße an der so genannten Fabrik vorbei. Früher wurde dort wohl noch Stoff gefärbt, denn der Autor kennt die Gausiller noch gelb, rot oder blau. Das wäre heute undenkbar.

Weiße Fabrik
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Foto: Kurt Högerle

Nachdem der Gießen die Landstraße verließ, stapften wir den Damm entlang, bis wir Dietenheim erreichten. Hier ging es nach einigen kleinen Verwirrungen und wunderlichen Umwegen und einem Schnaps bei Antonio schließlich bis hinter die Kirche, wo ein Fotograf auf uns wartete.
Nach dem Shooting (der Textteil war schon vorbereitet) ging es weiter durch Dietenheim, das wir aus diesem Anlass von völlig neuen Blickwinkeln aus betrachten konnten. Da es kalt war, hielten wir unsere Pause im Fahrradfahrertunnel südlich des Einkaufszentrums. Bänke gab es leider nicht.
Wir folgten dann dem Gießen , der zwischen Balzheim und Dietenheim teils direkt am Illerdeich verläuft, bis wir schließlich in Oberbalzheim ankamen. An der Stifungshalle wurden wir dann abgeholt.

Weiter ging es am 27.Januar. Als erstes verliefen wir uns bei strahlendem Wetter, aber frischem Wind auf das falsche Ufer und mussten umkehren. Dafür bekamen wir aber gleich darauf einen Privatführung durch eines dieser Kleinkraftwerke, wie sie so typisch für den Gießen sind. Er habe von uns in der Zeitung gelesen, meinte der Besitzer, und dass er es gut fände.

Kraftwerk
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Foto: Kurt Högerle

Danach ging es weiter über die Felder, bis wir in Sinningen an der neuen Brücke eine kleine Trinkpause machten. Beeilen brauchten wir uns nicht, wir wollte ja zum Mittagessen auf den Campingplatz ins dortige Restaurant. Hier verirrten wir uns zum zweiten Mal, als wir die falsche Seite des Campingplatzes wählten, aber kaum 10 Minuten später saßen wir am Tisch, auch Marieluise stieß dazu.

Brücke
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Foto: Kurt Högerle

Nach dem Essen ging es gemütlich am Gießen weiter, und als der Kanal unter die Autobahn geführt wurde, suchten wir ihn auf dem für uns kürzesten Weg schnellstmöglich wieder auf. Durch die Weiler Buchau und Kleinkellmünz gelangten wir dann an das alte Wasserkraftwerk, das die Iller auf 14 m anstaut.

Kellmünz
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Foto: Kurt Högerle

Auf den OSM-Karten zweigt der Gießen knapp hinter dem Kraftwerk ab, doch ist dem nicht so. Dazu sind die Wasserläufe unterhalb des Kraftwerk zu tief. Das Wasser muss also innerhalb des Gebäudes abgetrennt und in das neue Bachbett geführt werden, denn die ersten Meter des sichtbaren Gießens liegen mehrere Meter über dem Niveau des Illerwassers.

Stausee
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Foto: Kurt Högerle

Das war die mittlerweile vierte Expedition ins doch nicht so Bekannte, und die zweite, die auch öffentlich wurde. Ich hoffe, ihr habt viel Spaß daran, euch selber mal auf die Socken zu machen und ein paar Flussläufe zu erforschen. Man findet Sachen, die einen ins Staunen bringen. Oder zum Weinen. Schaut mal auf unseren Instagram-Kanal „Quellwandern“ vorbei und kommentiert dort eure Ideen!

 

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